Rauf Ceylans empirische Forschung über Migranten-Selbstorganisationen in
einem Duisburger Stadtteil ist eine erste systematische Analyse des
alltagsnahen Binnenlebens von Migranten in Deutschland. Dabei schaut er auf
die wichtigsten Kristallisationspunkte: die türkische Moscheen und Cafés.
Auf 272 Seiten stellt er ohne zu langweilen dar, wie Migranten versuchen in
segregierten Wohngebieten durch Selbstorganisation sich aktiv mit den ökonomischen,
sozialen und kulturellen Folgeproblemen auseinanderzusetzen.
Dabei zeigt der Autor nicht nur auf Probleme und Konflikte, die in diesem
Prozess entstehen, sondern macht auch reale Lösungsvorschläge.
"Türke ist nicht Türke"
Durch diese Forschungsarbeit leistet Ceylan einen wichtigen Beitrag zum Verständnis
des Binnenlebens der ethnischen Kolonien. Der alltägliche Erfahrungsraum der
türkischstämmigen Bewohner wurde realitätstreu herausgestellt.
83 narrative Interviews, 31 teilnehmende Beobachtungen, 18 Sitzungen mit
lokalen Experten und 6 Begehungen liefern auch dem migrantenfremdesten Leser
einen guten Einblick in das Innenleben der türkischen Migranten.
Nachdem man Ceylans Arbeit gelesen hat, wird man erkennen, dass „Türke“
nicht „Türke“ ist, und dass es nicht „den Islam“ gibt, sondern dass
hier eine pluralistische Sicht notwendig ist. Der Leser wird feststellen, dass
einige migrantenspezifische Einrichtungen zur Integration beitragen, und
wiederum andere zur sozialen Ausgrenzung.
(Un)vollständige Analyse
Zudem stellt der Autor heraus, dass die nach wie vor verwehrte Anerkennung von
muslimischen Gemeinschaften in Deutschland als Körperschaften des öffentlichen
Rechts ein Hindernis im Öffnungs- bzw. Integrationsprozess sind.
Der Einblick in das subkulturelle Caféhausmilieu dürfte für einen Fremden
in diesem Gebiet sehr spannend sein. Hier werden die Risiken der sozialräumlichen
Konzentration deutlich. Die Analyse der Moscheen kommt meines Erachtens zu
kurz. Auf diesem Gebiet hätte man noch etwas viel mehr rausholen können.
So ist das Buch eine Pflichtlektüre für SoziologInnen,
PolitikwissenschaftlerInnen, ErziehungswissenschaftlerInnen,
SozialarbeiterInnen, MigrationsforscherInnen und gesellschaftspolitisch
Interessierte.
Buchrezension: „Ethnische Kolonien. Entstehung, Funktion
und Wandel am Beispiel türkischer Moscheen und Cafés“ von Rauf Ceylan,
erschienen im VS Verlag für Sozialwissenschaften. Das Buch ist unter anderem
bei
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bestellbar.
Zum Autor: Dr. Rauf Ceylan ist wissenschaftlicher Mitarbeiter
an der Fachhochschule Düsseldorf im Fachbereich Sozial- und
Kulturwissenschaften.
Cemil Sahinöz | KISMET 13.12.2006